Richtigstellung der Autonomen Neuköllner Antifa zu Vorkommnissen am Rande der antirassistischen Demonstration „Es reicht! Ya Basta!“ am 27.08.2015 in Berlin-Wedding/Moabit

Bei der Auftaktkundgebung der Demonstration auf dem Nettelbeckplatz am S/U-Bahnhof Wedding wurden vier Personen der Demonstration verwiesen und schlussendlich von der Polizei aus der Kundgebung begleitet. Einer von ihnen war Martin Lejeune. An uns wurde die Forderung herangetragen, zu dem Ausschluss der Personen Stellung zu nehmen und uns zu entschuldigen. Wir bedauern, dass es zu dieser unnötigen und vermeidbaren Eskalation kam und umso mehr, dass es letztendlich die Polizei war, die die Personen zum Verlassen der Demonstration bewegen musste. Wir sehen aber keinen Anlass uns zu entschuldigen, denn wir werden auch weiterhin Antisemit*innen und jene, die sich mit diesen solidarisieren auf von uns organisierten Veranstaltungen und Demonstrationen nicht dulden. Ausschlaggebend für die Entscheidung zum Ausschluss von der Demo waren alleine die Äußerungen und das Verhalten der konkret betroffenen Personen in der Vergangenheit und am Tag selbst. Ihre Herkunft und ihre biografischen Hintergründe spielten zu keiner Zeit eine Rolle. Wir möchten jedoch den im Nachgang verbreiteten politisch motivierten Falschdarstellungen entgegentreten:

 

Als die Demonstration sich noch am Auftaktort sammelte, machten uns Teilnehmer*innen auf die Anwesenheit von Martin Lejeune aufmerksam. Lejeune fiel zuletzt als Redner bei der Auftaktkundgebung der antisemitischen Al-Quds-Demonstration am 11.07.2015 in Berlin auf. In seiner Rede setzte er die israelische Regierungspolitik mit dem industriell organisierten nationalsozialistischen Judenmord der Shoah/des Holocaust gleich. Lejeune: „Deutschland trägt schon die Schuld an einem Holocaust. Es darf nicht noch einen Holocaust geben.“ Weiter sagte er, dass „[…] in Gaza ein Völkermord stattfindet, ein Völkermord stattfindet an den Palästinensern, verübt durch die israelische Armee […]. Die deutsche Regierung unterstützt und bewaffnet die israelische Armee, um den Völkermord an den Palästinensern durchzuführen.“ (1) Der auf Israel bezogene NS-Vergleich ist ein beliebtes Mittel auch des deutschen Schuldabwehrantisemitismus, er dämonisiert Israel und verharmlost gleichzeitig die Verbrechen des Holocaust. Martin Lejeune wurde in ruhigem und sachlichem Ton erklärt, dass er die Demonstration aus diesem Grund verlassen muss. Lejeune ignorierte jedoch die wiederholten Anspracheversuche, setzte stattdessen sein Telefongespräch fort und entfernte sich einige Schritte. Etwa fünf Personen aus seinem Umfeld solidarisierten sich mit Lejeune und stellten sich vor ihn. Ihnen wurde erklärt, dass nur Martin Lejeune die Demonstration verlassen müsste und dass niemand auf Grund seiner Kleidung – die Personen trugen teilweise „Free Palestine“-T-Shirts und so genannte Palästinensertücher – oder seines biografischen Hintergrunds ausgeschlossen werde. Ihnen wurde mehrmals erklärt, dass eine Eskalation nicht gewünscht ist. Die Sympathisant*innen verhielten sich in der Folge äußerst aggressiv, sie begannen Genoss*innen und Teilnehmer*innen abzufilmen, als „Rassisten“ und „Faschisten“ zu beschimpfen und teilweise zu schubsen. Von den beteiligten Genoss*innen und Teilnehmer*innen ging – anders als Martin Lejeune hinterher auf Facebook behauptete – zu keinem Zeitpunkt Gewalt aus. Weitere Personen kamen nun hinzu und solidarisierten sich mit der Gruppe um Lejeune. Inzwischen war auch die Polizei auf die größer werdende Menschentraube aufmerksam geworden. Der Anmelder der Demonstration wurde dazu geholt, um Martin Lejeune und drei weitere Personen, die sich zuvor besonders aggressiv und uneinsichtig gezeigt hatten, von der Versammlung auszuschließen. Es kam zu einem kurzen Gerangel, das erneut von Lejeune und seinen Unterstützer*innen ausging. Nun, etwa zwanzig Minuten nach der ersten Aufforderung an Martin Lejeune die Demo zu verlassen, schritt die Polizei ein. Der Anmelder bat die Polizei nun, den Ausschluss gegen die vier Personen durchzusetzen. Martin Lejeune und die drei weiteren Personen wurden aus der Kundgebung begleitet. Sie hielten sich weiter im Umfeld der Demonstration auf und reihten sich später teilweise im hinteren Teil der Demo ein.

 

Es bleibt festzuhalten, dass die Verantwortung für die Eskalation und den folgenden Polizeieinsatz ausschließlich bei Martin Lejeune liegt, der die politische Inszenierung seiner Person offensichtlich über die Sicherheit seiner Mitstreiter*innen stellt. Seine im Nachgang veröffentlichte, Tatsachen verdrehende wie entlarvende „Gegendarstellung“ ist ein weiterer Beleg dafür.

 

Drei Geschehnisse, die sich in den Tagen nach der Demonstration ereigneten, bestärken uns in der Ansicht, dass der Ausschluss von Martin Lejeune und den übrigen drei Personen eine richtige Entscheidung war.

 

„Mahnwache“ Brandenburger Tor, 29.08.2015:

Bei einer „Mahnwache“ sollen die Namen von bei Einsätzen des israelischen Militärs getöteten Palästinenser*innen verlesen werden. Zu den Organisator*innen der „Mahnwache“ gehört der ebenfalls anwesende Martin Lejeune. Ein im Internet veröffentlichtes Video (2) zeigt, wie ein 90-jähriger Holocaust-Überlebender aus England und sein in den USA lebender Sohn, die sich anlässlich einer Ehrung im Deutschen Historischen Museum zu einem Besuch in Berlin aufhielten, die Teilnehmer*innen auf die einseitige Schuldzuweisung an Israel ansprechen. Sie weisen darauf hin, dass die getöteten Menschen zu betrauern sind, aber die Verantwortung für die militärische Eskalation im Gazastreifen bei der dort regierenden islamistischen und antisemitischen Terrororganisation Hamas liege, die israelische Zivilist*innen regelmäßig mit Raketen beschießt. Die Teilnehmer reagieren äußerst aggressiv, beschimpfen den Holocaust-Überlebenden als „Nazi“, „Faschist“, „Mörder“ und „Besatzer“ (hier offenbart sich die zutiefst antisemitische Denkfigur, Jüdinnen_Juden für die Politik des israelischen Staates verantwortlich zu machen), den Sohn schubsen sie mehrfach. Der in Berlin geborene Überlebende, der sich mit den so genannten „Kindertransporten“ 1938/1939 noch rechtzeitig nach England retten konnte, erzählt im anschließenden Gespräch mit einem Kamerateam, dass seine Eltern und seine Cousine von den Nazis ermordet wurden. Ein Teilnehmer der „Mahnwache“ kommt hinzu. Nachdem er Vater und Sohn zunächst auffordert, Deutsch zu sprechen, man sei hier ja schließlich in Deutschland, wirft er ihnen vor, die deutsche Geschichte, also die Shoa und seine persönliche Familiengeschichte zu instrumentalisieren, um die „Besatzung in Palästina“ zu legitimieren. Die Behauptung, dass Jüdinnen_Juden angeblich versuchen, aus der Shoah politisches Kapital zu schlagen, offenbart erneut eine eindeutig antisemitische Denkweise.

 

Tel Aviv Beach Party Kreuzberg, 30.08.2015:

Bei einer Party in einer Bar am Spreeufer kommt es zu Störungen beim Einlass. Rund 15 antizionistische Demonstrant*innen blockieren den Eingang zu der Party und rufen Parolen wie „Boykott Israel“, „Kindermörder Israel“, „Rassisten raus“ und „Palestine will be Free – From the River to the Sea“, während sie den Partygästen unterstellen, sie würden einen Genozid (in Gaza) feiern. Mindestens zwei Personen, die bereits am Donnerstag aufgefallen sind, nehmen an der Aktion teil. (3)

 

k-fetisch Neukölln, 30.08.2015:

Weil einer der Störer_innen vom Donnerstag bereits einen Tag zuvor in einem Neuköllner Café wegen des Tragens eines „Free Palestine“-Shirts unter Verweis auf die Unerwünschtheit nationaler Symbole des Ladens verwiesen wurde, kommt es dort zu einer „Soliaktion“. 10 mit Palitüchern bekleidete Personen betreten das Café, fordern die Mitarbeiter*innen zu einer Stellungnahme auf und filmen die Angestellten trotz mehrfacher Aufforderung, das Filmen zu unterlassen. Mindestens eine Person von Donnerstag ist an der Störaktion beteiligt und stellt das Video in Soziale Netzwerke. Auf der Facebook-Seite der Person wird angedroht, erneut und mit mehr Menschen dieses Café aufzusuchen.

 

(1) Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS)

(2) YouTube

(3) YouTube

Süddeutsche Zeitung

Jüdische Allgemeine

 

Autonome Neuköllner Antifa [ANA], im September 2015

REDEBEITRAG auf der Demo gegen rassistische Zustände in Heidenau, Nauen, Marzahn und überall

Redebeitrag zur deutschen Gefüchtetenpolitik und rassistischen Mobilisierungen, gehalten auf der antifaschistischen Demonstration „Es reicht! Ya Basta! Gegen die rassistischen Zustände in Heidenau, Nauen, Marzahn und überall“ am 27.08.2015 in Berlin-Wedding.

„REDEBEITRAG auf der Demo gegen rassistische Zustände in Heidenau, Nauen, Marzahn und überall“ weiterlesen

13.08. Antifa-Tresen: Über 22 Jahre nach Solingen

Es ist 2015 und erneut werden Brandsätze, Steine und Feuerwerkskörper gegen Geflüchtetenunterkünfte geworfen und rassistische Mobilisierungen halten an, während im Bundestag einer erneute Asylrechtsverschärfung zugestimmt wird. Vor über 22 Jahren am 29. Mai 1993 starben in Solingen 5 Menschen durch einen Brandanschlag auf ihr Wohnhaus. Kurz zuvor reagierte die deutsche Regierung mit der Einführung der Drittstaatenregelung auf die Pogrome in Rostock und Hoyerswerda.

Mit zwei Filmen (35min + 45min), die anlässlich des Gedenkens an 20 Jahre Solingen entstanden, wollen wir die damaligen Ereignisse und ihre Aufarbeitung bis heute in Erinnerung rufen.

In dem Film „93/13 – Zwanzig Jahre nach Solingen“ dokumentiert Mirza Odabaşı Gespräche über Alltagsrassismus von Seiten der Betroffenen und die Folgen des Brandanschlags.

Die WDR-Dokumentation „Alle sind noch da, nur die Toten nicht – 20 Jahre nach dem Brandanschlag in Solingen“ setzt ihren Fokus auf die Aufarbeitung innerhalb der Nachbar_inneschaft und stellt sich der Frage, wie die Stadt Solingen sich mit ihrer Geschichte, der Geschichte der Täter auseinander setzt.

 

Das Ganze findet im Rahmen des Antifa-Tresens der Autonomen Neuköllner Antifa statt. Wie immer mit leckeren Cocktails und erfrischenden Getränken.

Ab 20.00 Uhr im Projektraum H48 Neukölln.

Hermannstraße 48 (2. Hinterhof | 1. Etage) – Nähe U-Bhf. Boddinstraße (U8) –> bei „Projektraum“ klingeln

Neuköllner Chronik erneuert

Die Neuköllner Chronik rechter Aktivitäten wurde nun umfangreich überarbeitet und aktualisiert. Allein aus dem Jahre 2013 mussten wir 86 Vorfälle nachtragen und auch für die erste Hälfte des Jahres 2015 sind mittlerweile über 30 Einträge vorhanden.Zu finden ist sie nach wie vor hier auf der Seite unter „Chronik„.

Die Neuköllner Chronik dient dazu, neonazistische, rassistische, homophobe oder sonst wie extrem rechts motivierte Aktivitäten der letzten Jahre, die in Neukölln oder unter Beteiligung Neuköllner Neonazis stattfanden, oder sonst wie im Bezug zu Neukölln stehen, zu dokumentieren.

Lokale Chroniken erwiesen sich in der Vergangenheit als wichtiges Instrumentarium antifaschistischer Arbeit. Initiativen, Journalist_innen, lokale Politiker_innen und alle anderen, die antifaschistisch tätig sind, können die Erkenntnisse auswerten, Analysen mit Fakten unterlegen und Gegenstrategien entwickeln. Kurz, die interessierte Öffentlichkeit kann sich ein realistisches Bild rechter Aktivitäten im Bezirk machen.

Aber auch antifaschistische Aktivist_innen können auf Grundlage der Erkenntnisse gezielt intervenieren, z.B., wenn sich räumliche oder strategische Schwerpunkte neonazistischer Aktivitäten ausmachen lassen.

Die Neuköllner Chronik wird ab nun wieder regelmäßig aktualisiert und durch Nachmeldungen ergänzt, erhebt aber natürlich trotzdem keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die Quellen der Informationen sind andere antifaschistische Initiativen und Gruppen, Opferberatungsstellen, Medien, Polizeimeldungen und Anwohner_innen- und Augenzeug_innenberichte. Um sie so vollständig wie möglich zu führen, sind aber alle gefragt: Bitte meldet eure Beobachtungen im Bezirk unter Kontakt.

Zudem verweisen wir hier auch auf das Register Berlin, und auf Rechtes Land – Atlas zur extremen Rechten.