„trotz alledem und alledem“ – Veranstaltungsreihe zur Aktualität feministischer Kämpfe

 

Emanzipatorische, antifaschistische Politik sollte in ihrer Ausrichtung schon immer mehr bedeuten, als Nazis und Rassist_innen zu bekämpfen. Eine radikale Kritik der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft beinhaltet notwendigerweise auch einen feministischen Kampf gegen ihre patriarchalen Unterdrückungsstrukturen.

Diese Veranstaltungsreihe soll einen kleinen Einblick in aktuelle feministische Diskurse bieten und Anregungen schaffen, wie sie als Teil einer ebenso alltäglichen, antifaschistischen Politik unterstützt werden können – trotz alledem und alledem*!

Weitere Informationen folgen.

 

11. Oktober | „Feministische Antifapolitik abseits der Großstadt“ | 19.30 Uhr | Tristeza (Pannierstr. 5)

mit: f_antifa Brandenburg

13. Oktober | Filmvorführung „Abortion Democracy: Poland/South Africa
“ | 20 Uhr | Projektraum H48 (Hermannstr. 48)

18. Oktober | „Internationale Kämpfe um das Recht auf Abtreibung – Vortrag und Diskussion“ | 19.30 Uhr | B-Lage (Mareschstr. 1)

mit: Sarah Diehl

26.10. Oktober | „Rassistische Feminismen in historischer Kontinuität“ | 19.30 Uhr | Laika (Emserstr. 131)

mit: Prof. Dr. Nivedita Prasad

01. November | „Feminismus als Feindbild von Rechts“ | 20 Uhr | k-fetisch (Wildenbruchstr. 86)
mit Juliane Lang und trouble everyday collective

11. November | „Antisemitismus – Nebenwiderspruch feministischer Diskurse?“ | 19.30 Uhr | B-Lage (Mareschstr. 1)

mit: Franziska Haug

 

 

*Zitat: Rosa Luxemburg, Brief an Mathilde Wurm 28.12.1916

8.10. – „Unterm Techno liegt der Punk“ – Soliparty im ://about blank

8. Oktober | 22 Uhr | :// about blank, Markgrafendamm 24c

Bullenwagen klauen und die Innenstadt demolieren hat in Berlin auch schon mal mehr Spaß gemacht. Hier henkelt sich die CDU auf Ramboart durch den Wahlkampf, lässt ganze Straßenzüge von den Cops belagern und verhilft dubiosen Hauseigentümer*innen zu illegalen Räumungen. Was Lieselotte Meier wohl dazu sagen würde!? Und überhaupt: Deutschland halts Maul ist wohl ein dringender Wunsch von vielen von uns. Ein Jahr nach den deutschen Willkommens-Festspielen und über 1.500 Angriffe auf Geflüchtetenunterkünfte später, zieht die AfD nicht nur in Deutschlands am dümmsten besiedelten Gebieten reihenweise in die Landtage ein. Da bekommt das mit den „white riots“ eine ganz neue Bedeutung.

Doch trotz der generellen Gesamtscheiße lassen wir es uns nicht nehmen. Wir sagen: für immer Punk! (auch wenns mal nach Techno klingt). Kommt zum tanzen, trinkt mit uns Bier gegen Bullen und Deutschland, bis zum Filmriss und noch viel weiter. Sämtliche Einnahmen fließen in antifaschistische Arbeit in Neukölln, sowie in konkrete Einzelfallhilfen für Asylsuchende.

 

mit:
★ AGLAIA (Springstoff)
★ DASCO (Mint)
★ DJ2ND (2nd HH)
★ FEINE SAHNE HITFILET (Audiolith)
★ GUVIBOSCH (DJ-Set)
★ KALIPO (live | Antime, Audiolith)
★ KWAINT (poly|motion)
★ MYRKUZ (Procrastinators United)
★ N.AKIN (IfZ, Aequalis)
★ RHYTHMUS GÜNTHER (rhythmus günther)
★ RYBA (female:pressure, studio r°)
★ SCREAMING FISTS
★ VON RABEN (krabat DIY)

▶ AUSSERDEM:
☆ Punker-Kneipe ab 22 Uhr im Zelt
☆ Dies, das, Ananas!

Facebook-Event

Auch 2016: Marsch für das Leben? What the Fuck!

Euer Schweigen könnt ihr euch schenken. Lieber Feminismus feiern!

Für den 17. September 2016 mobilisiert der Bundesverband Lebensrecht (BVL) wieder zu einem „Marsch für das Leben“ in Berlin. Der Schweigemarsch, bei dem die „Tötung“ abgetriebener Embryonen betrauert wird, ist einer der wichtigsten öffentlichen Auftritte der selbsternannten „LebensschützerInnen“1 und verbindet eine breite reaktionäre, antifeministische und fundamentalistische Bewegung. Der BVL fordert ein generelles Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen. Dadurch würden Schwangere in ihrer Entscheidung ob sie die Schwangerschaft austragen wollen oder nicht, noch weiter eingeschränkt. Nicht zuletzt die wachsenden TeilnehmerInnenzahlen des Marsches, die sich aus wertekonservativen, christlich-fundamentalistischen über nationalistische bis hin zu Spektren der neuen und extremen Rechten speisen, machen eine entschlossene Antwort notwendiger denn je.


Anders als oft angenommen gilt eine Abtreibung auch in Deutschland gemäß §218 Strafgesetzbuch weiterhin als Straftat, die nur unter bestimmten Voraussetzungen straffrei bleibt. Wer abtreiben will, muss sich zwangsweise von staatlich anerkannten Stellen beraten lassen und danach drei Tage warten, bevor der Eingriff vorgenommen wird. Diese Regelung bedeutet eine staatlich institutionalisierte Entmündigung von Schwangeren, die nicht selbst über ihren Körper und ihre Lebensplanung entscheiden dürfen.

Zudem erfahren die antifeministischen Positionen der „LebensschützerInnen“ und ihrer MitstreiterInnen aus der Neuen Rechten zunehmend Akzeptanz und öffentliche Aufmerksamkeit. Ihr Einfluss in Gesellschaft, Medien und Parlamenten wächst. Durch Aktionen wie den „Marsch für das Leben“ versuchen sie ihre Positionen weiter in die Öffentlichkeit zu tragen und zu stärken. Das werden wir nicht zulassen!

Deshalb rufen wir dazu auf, sich an unserer queerfeministischen und antifaschistischen Demonstration zu beteiligen und anschließend den „Marsch“ der FundamentalistInnen zu blockieren und zu sabotieren. Wir wollen dem Marsch, seinen antifeministischen AkteurInnen und ihrem Gedankengut entschlossen entgegentreten!

17.09.2016, 12 Uhr S Anhalter Bahnhof, Berlin: antifaschistische und queerfeministische Demonstration des What-the-Fuck!?-Bündnisses

16.09.2016, 18 Uhr, S-Schönhauser Allee, Berlin: Vorabenddemo „StoppAfd“ vom NiKa-Bündnis zu den Berliner Landtagswahlen

1.„LebensschützerInnen“ ist eine Selbstbezeichnung derjenigen, die gegen Abtreibungen protestieren und gegen die sexuelle und körperliche Selbstbestimmung auf die Straße gehen.

Rückblick: Der Berliner Qudstag-Marsch 2014-2016

Am 04.August wird es erstmals eine Veranstaltung des Antifaschistischen Berliner Bündnis gegen den Al-Quds Tag nach dem Al-Quds-Tag geben, zu der wir euch gerne einladen wollen:

(Dis)Kontinuitäten – Qudstags-Marsch 2014-2016

Die Akteur*innen und Teilnehmenden des Qudstags-Marsches sind auch außerhalb dieses Zeitraums aktiv und fördern den Hass auf Israel, den Westen und das Judentum. Wir wollen uns auch an allen anderen Tage als dem letzten Freitag im Ramadan mit diesen Antisemit*innen auseinanderzusetzen.

Jedes Jahr zum Ende des Ramadans organisiert die aus dem Iran gesteuerte Quds AG unter dem Deckmäntelchen des Antizionimsus eine Demonstration im Herzen Berlins. Hier kommen vor allem Anhänger*innen des iranischen Regimes, aber auch andere Gruppen und Menschen zusammen, welche es sich zum Ziel gemacht haben dem Staat Israel das Existenzrecht abzusprechen oder einfach generell ihren Antisemitismus auf die Straßen Berlins zu tragen. Auch wenn dieser durch die öffentliche Ächtung und polizeilichen Auflagen stärker codiert und zurückhaltender artikuliert wird, bleibt der Qudstags-Marsch eine antisemitische Veranstaltung.
Doch wer sind diese Gruppen und Einzelpersonen die sich an diesem Tag mit dem klerikal-faschistischen Regime im Iran und einem seiner Hauptziele solidarisieren, der Vernichtung des jüdischen Staates? Inwieweit ist der Qudstag-Marsch die Praxis dessen, was in der antisemitischen Weltsicht Israel als den „Kollektivjuden“ imaginiert?
In den letzten drei Jahren fand eine systematische Dokumentation des Qudstags-Marsches durch zivilgesellschaftliche Initiativen statt. Die Referent*innen des JFDA – Jüdisches Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus und der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus – RIAS werden den beiden Fragen nachgehen. Gleichzeitig sollen die Herausforderungen für einen antifaschistischen Protest gegen den Qudstag-Marsch mit den Veranstalter*innen und dem Publikum diskutiert werden.

Die Veranstaltenden behalten sich vor, von ihrem Hausrecht Gebrauch zu machen und Personen, die rechtsextremen Parteien oder Organisationen angehören, der rechtsextremen oder islamistischen Szene zuzuordnen sind oder bereits in der Vergangenheit durch rassistische, nationalistische, antisemitische, sonstige menschenverachtende Äußerungen oder körperliche Übergriffe in Erscheinung getreten sind, den Zutritt zur Veranstaltung zu verwehren oder von dieser auszuschließen

Kommentar: Antisemitismus als Nebenwiderspruch?

 

Rund um die Geschehnisse zum diesjährigen 1. Mai und darüber hinaus hat die gruppe subcutan und freund*innen einen Kommentar verfasst, den wir zusammen mit deutschland demobilisieren und sous la plage gerne unterzeichnet haben:

Der Antisemitismus ist im Antizionismus enthalten wie das Gewitter in der Wolke
Jean Améry

Antisemitismus als Nebenwiderspruch?
Zur Bündnisfähigkeit israelfeindlicher Positionen in der radikalen Linken

Am diesjährigen Bündnis zur Vorbereitung der Berliner Revolutionären Demonstration zum 1. Mai nahmen neben der Interventionistischen Linken Berlin (IL) und anderen Zusammenschlüssen aus dem antifaschistischen und internationalistischen Spektrum auch die Gruppen „For One State and Return in Palestine“ (FOR-Palestine) und „Boykott, Desinvestitionen, Sanktionen“ Berlin (BDS) teil. Diese vertreten eindeutig antisemitische Positionen. Nachdem sie dem Bündnis beitraten, forderte die Ökologische Linke in einem mehrteiligen Antrag, „explizit antisemitische Gruppen wie der BDS und FOR-Palestine“ sowie antisemitische Inhalte auf der Demonstration auszuschließen. Als Beispiel für antisemitische Inhalte nannte die Ökologische Linke die Aussage „Israel verübt einen Genozid an den Palästinensern“. In der Abstimmung lehnte eine deutliche Mehrheit im Bündnis beide Anliegen ab. Die IL enthielt sich der Stimme, sowohl bei der Abstimmung über den Ausschluss von FOR-Palestine und BDS als auch über antisemitische Inhalte. Daraufhin verließ die Ökologische Linke das Bündnis und machte den Vorgang sowie das Abstimmungsverhalten der am Bündnis beteiligten Gruppen öffentlich.

Nach diesen Mehrheitsverhältnissen erscheinen die antisemitischen Übergriffe auf der 1. Mai-Demonstration wenig überraschend: Einige Personen, die mit einer Israelfahne am Rande der Demo standen, wurden aus dem Internationalistischen Block heraus verbal und körperlich angegriffen. An diesem Angriff waren Personen aus dem Spektrum von FOR-Palestine und BDS beteiligt. Vom Lautsprecherwagen des Blocks ist von „pro-imperialistischen Provokationen der Gruppe um Jutta Ditfurth“ die Rede, die Ökologische Linke wird als „pro-zionistische Gruppe“ bezeichnet, die versucht habe, „palästinensische Gruppen aus dem Bündnis zu drängen“, von einer Sprecherin des Wagens wird dies als Rassismus bezeichnet („Zionismus ist Rassismus“).

Dass die allermeisten Formen von sogenanntem linken Antizionismus antisemitisch sind, z.B. die Forderung, Israel als jüdischen Staat abzuschaffen, ist in der radikalen Linken schon lange umstritten. Bereits Anfang der 2000er Jahre gab es in den Bündnissen zum 1. Mai intensive Konflikte, die einige Male zu getrennten Mobilisierungen führten. Auch israelfeindliche Übergriffe am Rande von Demonstrationen hat es immer wieder gegeben. In dieser Deutlichkeit sind die geschilderten Vorgänge dennoch ein Novum, weil antisemitische Positionierungen und daraus abgeleitete Handgreiflichkeiten offenbar bündnisfähig geworden sind und für Gruppen wie die IL keinen Bruch mehr markieren. So hätten IL und andere Gruppen den Antrag der Ökologischen Linken für einen Ausschluss antisemitischer Positionen im Bündnis auch einfach annehmen und dann später behaupten können, dass es „bei uns“ ja keinen Antisemitismus gibt. Aber selbst eine formale Abgrenzung vom Antisemitismus erschien der IL offenbar zu viel.

Demgegenüber sind wir der Auffassung, dass eine Zusammenarbeit mit Organisationen wie BDS und FOR-Palestine in linken und linksradikalen Bündnissen ein No-Go sein sollte – völlig unabhängig davon, wie unterschiedlich die Politik Israels beurteilt wird oder wie sich zum Nahost-Konflikt positioniert wird.

 

Die Wiederkehr des „ehrbaren“ Antisemitismus

Das Argument von Gruppen wie BDS und FOR-Palestine ist so alt wie schlicht: Israel sei wahlweise nationalistisch, rassistisch, imperialistisch oder kolonialistisch und müsse daher von der Landkarte verschwinden. Mit anderen nationalistischen, rassistischen, imperialistischen und kolonialistischen Staaten, die nicht jüdisch sind, haben diese Gruppierungen hingegen kein Problem. Auch aktuelle Landnahmen und Kolonisierungsprojekte, etwa in afrikanischen oder lateinamerikanischen Ländern, sind kein Thema – es geht immer allein um den einzigen jüdischen Staat auf der Welt und seine Existenz. Diese Festlegung auf das Feindbild Israel ist innerhalb der radikalen Linken nicht neu. Spätestens seit Ende der 1960er Jahre kommt kaum eine Betrachtung des Nahost-Konflikts in der europäischen Linken ohne das Schmiermittel Antisemitismus aus. Bereits damals hatte Jean Améry daher den Antizionismus als „ehrbaren Antisemitismus“ bezeichnet. Ein alter Hut ist auch, dass die Israelhasser*innen sich empört geben, wenn ihre Forderungen gegen Israel als das benannt werden, was sie im Kern sind: antisemitische Dämonisierungen und Vernichtungsphantasien.

Auch im aktuellen Fall wollen FOR-Palestine und BDS nicht als antisemitisch gelten, sondern bemühen die Krücke des Antizionismus. Als „Beleg“ führen sie auch die Mitgliedschaft jüdischer Israelis an. Umso deutlicher muss daher herausgehoben werden, dass Gruppen wie FOR-Palestine unmissverständlich nichts geringeres fordern als das Ende des jüdischen Staates, der „Heimstatt der Überlebenden und Nachkommen derer, die im Nazifaschismus millionenfach vergast und ermordet wurden“, wie es sogar die IL in einem kurzen Anflug historischen Bewusstseins in ihrem Facebook-Statement formuliert.

Der offen formulierte Kampf gegen Israel mündet in Übergriffe, wenn BDS und FOR-Palestine mit Kritik konfrontiert werden. So wie am 1. Mai kam es in jüngster Zeit im Umfeld von Demos und Aktionen, an denen BDS und FOR-Palestine beteiligt waren, immer wieder zu offen antisemitischer Hetze und zu körperlichen Angriffen auf Andersdenkende:

Worte der Distanzierung waren hierzu weder von BDS noch von FOR-Palestine zu hören. Im Gegenteil erklärt sich FOR-Palestine auf ihrer Webseite explizit solidarisch mit „dem Widerstand mit allen möglichen Mitteln und Formen“. Das schließt auch wahllose Angriffe mit Messern auf israelische Zivilist*innen ein, wie etwa die Messerstiche auf zwei 82 und 86 Jahre alte Frauen im Mai. Aber auch der menschenverachtende Terror islamistischer Organisationen wie Hamas, Hisbollah, Al Qaida und IS wird als „Widerstand“ gutgeheißen – für Gewaltfreiheit hat die Gruppe nur Verachtung übrig: „Alle Formen ihres Widerstandes sind legitim, weil ihr Widerstand an sich legitim ist“, heißt es in dem Text. Diese Befürwortung antisemitischer Morde macht auf zynische Weise deutlich, was mit der von FOR-Palestine geforderten „Ein-Staaten-Lösung“ und dem „Rückkehrrecht“ tatsächlich erreicht werden soll: De facto das Ende Israels als jüdischen Staat und ein Land mehr auf dieser Welt, in der Jüdinnen und Juden um ihr Leben fürchten müssen.

Zusätzliche Legitimität verschafft insbesondere FOR-Palestine ihrem nationalen Befreiungskampf durch einen antirassistischen Anstrich in Form von Argumentationsmustern, die dem Critical Whiteness-Diskurs entlehnt sind. So setzen sie bewusst Floskeln aus postkolonialen Diskursen ein, um Kritik an ihrer Politik abzuwehren. Israel wird zum „rassistischen Kolonialprojekt“ erklärt, Kritik an den eigenen Positionen wird als „anti-palästinensische Hetze“ gebrandmarkt. Betont wird auch immer wieder, dass Aktivist*innen von FOR-Palestine jüdisch oder palästinensisch seien – der Verweis auf die Herkunft wird hier zum politischen Argument erhoben, das vor allem der Immunisierung gegen Kritik dient. Kulturelle Identitäten werden hierbei essentialisiert und höher bewertet als inhaltliche Positionen und verhindern eine Auseinandersetzung bereits im Ansatz.

Ergänzend tut FOR-Palestine antisemitismuskritische Positionen gerne als „Täterenkelkomplex“ deutscher Linker ab. Dass lediglich deutsche Linke – qua ihrer Herkunft – ein Problem mit Antisemitismus hätten, ist schlicht falsch und dient gleichfalls der Delegitimierung unliebsamer Kritik. Die Rede vom „Täterenkelkomplex“ ist zudem inhaltlich erschreckend nah an der Rede vom „Schuldkult“, die im rechtsradikalen Milieu gepflegt wird. So verwundert es auch nicht, dass es im pro-palästinensischen Spektrum öfters zu Querfront-Bündnissen mit Neonazis kommt. So war sowohl bei der Demo vor dem Moviemento, als auch im Internationalistischen Block am 1. Mai Fuad Afane aktiv, der als Redner auf denselben Veranstaltungen auftritt wie bekannte Neonazi-Kader, etwa bei Pegida-Ablegern wie EnDgAmE („Engagierte Demokraten gegen die Amerikanisierung Europas“).

Zur Bündnisfähigkeit von Antisemitismus

Zusammenfassend: Die Interventionistische Linke (IL) und einige andere kleinere Zusammenhänge aus der radikalen Linken arbeiten im 1. Mai-Bündnis mit Gruppen zusammen, deren Forderungen auf die Vernichtung Israels hinauslaufen, die Morde an Jüdinnen und Juden gutheißen und auf deren Veranstaltungen regelmäßig Personen aktiv sind, die mit Neonazis zusammenarbeiten und Antifaschist*innen angreifen. All dies war lange vor dem 1. Mai bekannt. Dennoch hat sich die IL für die Zusammenarbeit mit diesen Gruppen entschieden. Sie hat es noch nicht einmal für nötig befunden, sich formal gegen antisemitische Positionen im Bündnis auszusprechen, sondern hielt es für opportun und vertretbar, sich in dieser Frage tatsächlich enthalten zu können.

Die IL bezeichnet sich selbst als „Zusammenschluss linksradikaler Gruppen und Einzelpersonen aus der undogmatischen und emanzipatorischen Linken“ und ist in mehr als 20 bundesdeutschen Städten aktiv. Sie hat den Anspruch, innerhalb der radikalen Linken politische Debatten zu befördern und mitunter breite Bündnisse mit anderen Gruppen zu schließen, um ihre Ziele voranzutreiben. Bisher haben wir angenommen, dass Bündnisse mit antisemitischen Gruppen nicht zum Portfolio der IL gehören.

Offenbar handelt es sich bei dieser Bündnispolitik der IL aber mitnichten um einen einmaligen Ausrutscher. Denn auch das Facebook-Statement, das die IL einige Wochen nach dem 1. Mai zu den Vorfällen veröffentlichte, vermeidet eine eindeutige Positionierung gegen Antisemitismus. Der Text laviert durch „einerseits-andererseits-Formulierungen“ um das eigentliche Problem herum. Dabei versteht die IL offensichtlich nicht, dass es nicht um eine Lösung des Nahost-Konflikts geht, sondern um Antisemitismus vor der eigenen Haustür – in der radikalen Linken Berlins. Bei näherem Hinsehen offenbart das Statement Parteinahmen zugunsten ihrer antisemitischen Bündnispartner*innen: So entschuldigt es den Angriff, der aus der 1.-Mai-Demo heraus erfolgte. Dieser sei „als Reaktion auf das Zeigen einer Israelfahne“ erfolgt – ganz so als sei das Symbol des jüdischen Staates ein Anblick, bei dem man nur noch zuschlagen kann. Dass aus Sicht der IL Israel das Problem ist, führt die Gruppe noch weiter aus: „Wer bei linken Aktionen meint, […] die israelische Nationalflagge hochhalten zu müssen, sollte wissen, dass er oder sie damit auch eine bald 50-jährige israelische Besatzungspolitik und damit die Verweigerung elementarer Bürgerrechte für die palästinensische Bevölkerung auf der Westbank und im Gazastreifen legitimiert.“ Die Behauptung im letzten Satz, der Gaza-Streifen sei immer noch von Israel besetzt, mag man als historische Ungenauigkeit abtun, aber die schuldzuweisende Motivation dahinter ist unübersehbar: Auch wenn die Hamas die Bevölkerung Gazas durch ihre Terrorpolitik in Geiselhaft nimmt – Schuld ist Israel! Mit dieser Haltung, dass schon der bloße Hinweis auf die Existenz des jüdischen Staates eine Provokation sei, befindet sich die IL in guter Gesellschaft mit zahlreichen Einsatzleitern deutscher Polizeibehörden sowie Antisemit*innen von links und rechts auf der ganzen Welt.

Den tätlichen Angriff selber bagatellisiert die IL, indem sie von einem „Bekämpfen“ der „israelischen Fahne“ spricht. Nicht mit einem Wort gesteht die IL ein, dass hier Menschen aus ihrer Bündnis-Demo heraus angegriffen wurden – einzig und allein, weil sie sich solidarisch mit dem jüdischen Staat zeigten. Stattdessen lamentiert die IL von einem „grundsätzlichen politischen Spannungsverhältnis“ und schiebt entschuldigend hinterher, dass man „als eine sehr große Gruppe auch mehr Zeit brauche, um Dinge zu diskutieren“. Die IL hat in der Vorbereitung zur 1.-Mai-Demo den Verbleib von BDS und FOR-Palestine im Bündnis durch ihr Abstimmungsverhalten ermöglicht, anstatt sich dagegen auszusprechen. Dass sie nun den Internationalistischen Block der 1.-Mai-Demo auffordert, seinen Umgang mit dem Übergriff „öffentlich bekannt zu machen“, anstatt sich selber zu erklären, mutet daher eher wie ein Ablenkungsmanöver an.

Wie bereits ausgeführt, ist leider weder der Hass auf Israel, noch die Verharmlosung und Legitimation von antizionistischem Antisemitismus in der Linken etwas Neues. Allerdings gehörte es zu den positiven Errungenschaften der intensiven Debatten der vergangenen fünfzehn Jahre, dass die Kritik an antisemitischen Positionen – auch an israelbezogenem Antisemitismus – in der radikalen Linken eine verbreitete Selbstverständlichkeit war, hinter die viele undogmatische Gruppen nicht mehr zurückgehen. Es ist nun an der IL zu entscheiden, ob sie stattdessen die Bündnisfähigkeit antisemitischer Positionen befördern will und auf die Zusammenarbeit mit Gruppen setzt, für die das Verbrennen von Israelflaggen, antisemitische Sprechchöre oder die Gleichsetzung Israels mit dem Nationalsozialismus Normalität sind. Dass sich die IL auch Wochen nach dem 1. Mai nicht dazu durchgerungen hat, sich eindeutig von den genannten Gruppen zu distanzieren, lässt nichts Gutes ahnen.

gruppe subcutan und freund*innen

Unterzeichner*innen:

demob (Gruppe der NFJ Berlin)

autonome neuköllner antifa (ana)

sous la plage (Hamburg)

[Juni 2016]