Brandstiftungen in der Britzer Hufeisensiedlung

An dem vergangenen Wochenende, in der Nacht vom 21. auf den 22., hat im Süden Neuköllns schon wieder ein Auto gebrannt. Schnell zirkulierte im Internet ein Video von dem sich ausbreitenden Brand. Die Anwohnerin, die das Video hochgeladen hat, wies in ihrem Beitrag auf zahlreiche auch rechte Vorfälle in dem unmittelbaren Umfeld des Tatortes in der Britzer Hufeisensiedlung hin und stellte einen Zusammenhang her. Neben weiteren 12 Brandstiftungen an Kleider-und Müllcontainern, Anhängerplanen, Sitzbänken einer Bushaltestelle und Autos seit Oktober 2021, habe es in der Vergangenheit auch immer wieder Hakenkreuz-Schmierereien in der Hufeisensiedlung gegeben auf. So im letzten November auch an einem Haus in unmittelbarer Nähe des jetzigen Tatortes. In diesem Zusammenhang zeigten die Bewohner_innen ebenfalls an, dass bereits im Oktober Menschen, die sich im Garten auf Hebräisch unterhielten, von einer unbekannten Person durch die Hecke hindurch mit Reizgas besprüht worden waren. [1]

Vor diesem Hintergrund erscheint es naheliegend, dass Neuköllner_innen, die sich gegen die extreme Rechte engagieren, auch hinter dem aktuellen Vorfall eine Tat von Neonazis vermuten. Denn es ist eines der Ziele rechten Terrors Angst zu verbreiten, eine Angst, die auch dem medial verbreiteten Video deutlich zu entnehmen ist. „Die Angriffe zielen nicht nur auf die körperliche Unversehrtheit der direkt Betroffenen ab, sondern sollen alle potentiell Betroffenen in Angst versetzen, sie einschüchtern, sie in ihrem Alltag einschränken, ihre politische Partizipation ersticken und sie damit letztendlich gesellschaftlich weiter ausgrenzen.“ [2]

Aus den Ermittlungen zur Mordserie des NSU haben Antirassist_innen und Betroffene den nachvollziehbaren Schluss gezogen, bei Angriffen bis zum Beweis des Gegenteils von einer extrem rechten Tat auszugehen. Insbesondere auch die Geschichte der rechten Angriffsserien in Neukölln hat dabei gezeigt, dass nicht zuletzt die „Sicherheitsbehörden“ mehr zu dem beschriebenen Gefühl der Bedrohung und Unsicherheit von Betroffenen beigetragen haben, anstatt Hintergründe aufzuklären und Täter_innen(netzwerke) zu ermitteln. [3]

Gleichzeitig sollte es aus einer antifaschistischen Perspektive aber auch wichtig bleiben, sich von dieser Angst und dem Gefühl der Ohnmacht nicht überwältigen zu lassen und einen gemeinsamen solidarischen Umgang mit ihr zu finden. Solidarität bedeutet in diesem Zusammenhang auch, sich mit den potentiell Betroffenen auseinander zu setzen, sich mit ihnen auszutauschen und zuzuhören, anstatt nur über sie zu sprechen. Dies ist im aktuellen Fall offensichtlich nicht passiert. Anders ist es nicht zu erklären, dass die schnell verbreitete Annahme, das betroffene Auto würde einer in der Nachbarschaft wohnenden jüdischen Familie gehören, die schon zuvor das Ziel von antisemitischen Anfeindungen wurde, als Falschmeldung herausstellte. Zu diesem Zeitpunkt waren jedoch bereits Pressemitteilungen geschrieben und Social Media Beiträge mit entsprechenden Buzzwords zu „Anschlagsserie“ und „Nazi Terror“ hundertfach geteilt. [4]

Selbstverständlich gilt es nicht erst seit den Taten des NSU, solche Vorfälle nicht wie die Berliner Polizei zunächst voreilig als unpolitische Vorkommnisse zu bagatellisieren, sondern rechte Motive immer mit in Betracht zu ziehen. Dabei sollte jedoch nicht der eigene Aktivismus im Vordergrund des politischen oder auch journalistischen Handelns stehen, sondern zunächst die Perspektive von Betroffenen und ein sorgfältiges Abwegen und Werten aller bekannten Informationen.
Getreu der Reihenfolge und dem Motto:

Recherche, Analyse, Aktion – Antifa bleibt Handarbeit!


[1] Vgl. https://www.berliner-register.de/vorfall/3940f1e5-9abe-4b61-a32f-6f05d895b2ad/

[2] Aus den Thesen der Broschüre „Name it, face it! Rechten Terror bekämpfen!“ https://irgendwoindeutschland.org/name-it-face-it/

[3] Vgl. etwa https://www.nkwatch.info/2022/offener-brief/

[4] Vgl. etwa https://checkpoint.tagesspiegel.de/telegramm/7phkX7RL7YAq74fl9GRa8w

Foto: Ausgebrannter PKW in der Gielower Straße