Täter-Opfer-umkehrende Schmierereien in Neukölln

RIAS Berlin – Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Berlin haben die jüngsten antisemitischen Schmierereien in Neukölln dokumentiert und eingeordnet. In den vergangenen Wochen kam es insbesondere in Neukölln noch zu weiteren antisemitischen Vorfällen. So wurden vergangene Woche zwei Personen in der Schierker Straße antisemitisch beschimpft, als sie gerade Stolpersteine in der Straße pflegten.



Vorfall Meldung Berlin-Neukölln, 03.06.2021

Mehrere Täter-Opfer-umkehrende Schmierereien in Neukölln

An mehreren Orten in Neukölln wurden großflächige antisemitische Schmierereien entdeckt.

An einem Baugerüst in der Hermannstraße, an einer öffentlichen Toilette am Kranoldplatz und an einem roten Bauwagen in der Fontanestraße haben unbekannte Personen in der vergangenen Woche großflächige antisemitische Schmierereien angebracht. Diese zeigten einen Davidstern in einem weißen oder durchsichtigen Kreis auf rotem Grund. Das Symbol war einer Hakenkreuz-Flagge nachempfunden, in der das Hakenkreuz durch einen Davidstern ersetzt wurde.

Darüber war “Cultural Apropriation” [sic] geschrieben, übersetzt „kulturelle Aneignung“. Der Begriff bezeichnet zumeist die Übernahme von Bestandteilen einer Kultur oder Identität und wird oftmals kritisch in postkolonialen Diskursen verwendet. Hier wurde so der Staat Israel mit dem nationalsozialistischen Deutschland gleichgesetzt und die aktuelle israelische Politik mit der Politik der Nazis verglichen.

Darüber hinaus repräsentiert der Davidstern nicht nur Israel, sondern ist in erster Linie ein jüdisches Symbol, das unabhängig vom Staat Israel stehen kann. Angefeindet werden hier somit auch Jüdinnen_Juden insgesamt, unabhängig davon, ob sie sich mit dem Staat Israel identifizieren oder nicht. Schließlich wird in den Schmierereien auf das Stereotyp aus dem modernen Antisemitismus angespielt, wonach Jüdinnen_Juden über keine eigene kulturelle Identität verfügen und sich fremde kulturelle Elemente aneignen würden.

Am Kranoldplatz wurden der Schmiererei weitere hinzugefügt: In den Davidstern malte eine Person eine Hand mit erhobenem Mittelfinger in die sie „Israel“ schrieb. Auf den roten Untergrund hatte jemand „Tfou“ (Onomatopoetikum für verächtliches Spucken) und „drecks Juden“ geschrieben.

Nationalsozialistische Symbole sind immer wieder im öffentlichen Raum sichtbar. Sie können für Jüdinnen_Juden, Überlebende der Schoa und ihre Verwandten ausgesprochen verletzend sein. Die Identifizierung von jüdischen Symbolen mit denen des NS-Täterkollektivs wie in diesem Fall kann dabei besonders schwer wiegen.

RIAS Berlin hat in den vergangenen Wochen eine Vielzahl an Meldungen von antisemitischen Vorfällen erhalten, in denen die israelischen Militäroperationen nach Raketenangriffen aus Gaza auf Israel als Anlass für antisemitische Anfeindungen gegen jüdische Personen in Berlin genutzt wurden.

🔵 Meldet antisemitische Vorfälle unter https://report-antisemitism.de.