Redebeitrag zu antisemitischen Umtrieben in Neukölln, gehalten auf der antifaschistischen Demonstration am 09. Juni 2018 in Berlin-Charlottenburg gegen den Al Quds-Tag.
Liebe Antifaschist_innen,
wir freuen uns, dass ihr zu unserer antifaschistischen Demonstration gekommen seid. Trotz eines zeitgleichen, so genannten Frauenmarsches der AfD, der erneut versucht durch Kreuzberg zu ziehen. Wir solidarisieren uns auch mit den feministischen und antirassistischen Gegenprotesten. Hier und jetzt gehen wir gemeinsam mit euch auf die Straße gegen jeden Antisemitismus. Anlässe liefert der heute stattfindende Quds-Marsch wahrlich zu Genüge. Exemplarisch sei auf ein Video-Statement von Jürgen Grassmann, Sprecher der veranstaltenden Quds-AG, von Anfang diesen Monats verwiesen. Dort verstrickt er sich mit antiimperialistisch verfremdeter Rhetorik immer tiefer in antisemitisches Verschwörungsdenken. Als „wichtigstes Problem der gesamten Menschheit“ gegen das er den „islamischen Widerstand“ mobilisieren will, benennt er schließlich die „rassistische Bewegung“, die seit nun mehr 70 Jahren Jerusalem besetzt halte. Grassmann meint die Gründung des jüdischen Staates Israel im Jahr 1948.
In den letzten Jahren hatte aus Anlass des Jahrestages der Staatsgründung ein sich selbst als links ausgebendes, antizionistisches Bündnis regelmäßig Mitte Mai Aufmärsche durch Neukölln organisiert. Sie sind Teil einer spezifischen palästinensischen Gedenkkultur von der Gründung Israels als Katastrophe (Nakba), die dazu dient, dem jüdischen Staat das Existenzrecht abzusprechen. In diesem Jahr gab es keinen Aufmarsch. Stattdessen nahm eine aus der palästinensischen Community organisierte Veranstaltung einen ganzen Tag lang den Hermannplatz in Beschlag. Neben zahlreichen Palästina-Fahnen wehten einträchtig die Fahnen des in dieser Hinsicht notorischen Neuköllner Bezirksverbandes der Partei „Die Linke“. Der Hermannplatz war auch in den Wochen zuvor bereits Ort von antisemitischen Versammlungen, auf denen in Sprechchören ein Palästina vom Jordan bis ans Mittelmeer propagiert wurde. Aus dem Lautsprecherwagen gegen vermeintliche zionistische Denunziant_innen aufgewiegelt, wurden bei einer Kundgebung Anfang April zwei Journalist_innen angegriffen.
Die Angreifer kamen vom so genannten Jugendwiderstand. Ein Zusammenhang, der sich hauptsächlich mit der Bedrohung israelsolidarischer Menschen in Neukölln beschäftigt. Zum Repertoire gehören auch an die Wände geschmierte Drohung mit dem Tod durch ein 9 mm-Geschoss. Bei der 18 Uhr Demonstration am 1.Mai griffen Mitglieder des Jugendwiderstands den feministischen Block an. Sie versuchten, jungen Antifaschist_innen ein Transparent gewaltsam zu entreißen, auf dem sich gegen den Antisemitismus der mitlaufenden BDS-Bewegung ausgesprochen wurde. Kein Wunder; der „Jugendwiderstand“ und die angeblich gewaltfreie Bewegung laufen regelmäßig Seite an Seite gegen den gemeinsamen Feind. Als am 25. April nach einem antisemitischen Angriff eine Solidaritätsaktion wiederum auf dem Hermannplatz stattfand, meldeten BDS-Aktivist_innen eine spontane Gegenkundgebung an. Aus dieser Kundgebung wurden die Kippa tragenden Teilnehmenden so heftig attakiert, dass sie ihre Aktion abbrechen mussten. Aus dem Umfeld von BDS wurde zudem das Gerücht gestreut, die Aktion sei eine rechte Provokation, wahlweise von „Identitärer Bewegung“ oder AfD gewesen.
Tatsächlich, aber ganz anders, versucht gerade die Neuköllner AfD, den Kampf gegen Antisemitismus für sich zu vereinnahmen. Nicht nur ihre rassistische Instrumentalisierung macht Rechtspopulist_innen für alle die es ernst meinen notwendigerweise zu Gegner_innen im Kampf für eine Gesellschaft ohne Antisemitismus. Shoahrelativierung und Verschwörungsdenken zählen zu den programmatischen Säulen der Partei. Es gilt, gemeinsam gegen Islamist_innen und Rechtspopulist_innen eine Gesellschaft zu erkämpfen, in der alle im Verein freier Menschen ohne Angst verschieden sein können.
Gegen jeden Antisemitismus! Gegen den Quds-Tag!