REDEBEITRAG anlässlich des 6. Jahrestages des Mordes an Burak

Redebeitrag zu rechten Strukturen in Neukölln, gehalten auf der Demonstration anlässlich des 6. Jahrestages des Mordes an Burak und zu der Einweihung des Gedenkortes in Süd-Neukölln am 08.04.2018.

Liebe Mitdemonstrierende, liebe Passant_innen, liebe Anwohner_innen,
nach den erneuten neonazistischen Brandanschlägen im Februar diesen Jahres bleiben Neukölln und seine Nazis in aller Munde. Die aktuelle Serie von Bedrohungen und Angriffen gegen Privatwohnungen, Cafés und Buchläden – die seit Mai 2016 anhält – sorgt zu Recht für Aufsehen.

Ein Verdächtiger der jüngsten Anschläge ist Sebastian Thom. Der bekannte Ex-NPD-Kader wurde 2016 unmittelbar vor den ersten Anschlägen aus dem Gefängnis entlassen und ist eng verbunden mit dem Neonazi Julian Beyer, einem der führenden Köpfe der „Freien Kräfte Berlin Neukölln“.

Obwohl lokale antifaschistische Strukturen von Anfang an sowohl auf Thom als auch auf Beyer als mögliche Täter hingewiesen hatten, folgten erst jetzt Hausdurchsuchungen. Dass die Polizei erst nach anderthalb Jahren tätig wurde, zeigt wieder einmal, dass auf staatliche und polizeiliche Ermittlungen kein Verlass ist, besonders nicht, wenn es darum geht, gegen Neonazis und rassistische Gewalt vorzugehen. Wenn die Leiterin der Rechtsextremismus-Abteilung des LKA wie jüngst behauptet, die Berliner Polizei hätte ihre Lehren aus dem NSU gezogen, dann ist das blanker Hohn. Denn der Mord an Burak ist bis heute unaufgeklärt. Er wurde bisher ebenso wenig als rechter Mord eingestuft, wie der Mord an Luke Holland. Offensichtlich Zusammenhänge zwischen den beiden Fällen werden systematisch ausgeblendet.

Beide Fälle sind auch vor dem Hintergrund überschaubarer, aber gut organisierter Nazistrukturen zu sehen, die schon länger insbesondere im Süden Neuköllns ansässig sind. Über Jahre arbeiten sie daran, den Berliner Südosten zu einem Ort zu machen, an dem Menschen mit Migrationsgeschichte und politisch Andersdenkende sich nicht mehr ohne Angst bewegen können. Diese Strategie äußerte sich vor allem in rassistischen Angriffen, aber immer wieder auch in gezielten Attacken auf vermeintliche politische Gegner_innen und ihre Treffpunkte.

Aufgrund wachsenden antifaschistischen Widerstandes änderte die Neuköllner Naziszene ihr Vorgehen. Ihr Fokus liegt seitdem auf nächtliche Anti-Antifa Aktionen im Norden des Bezirks. In Kiezen also, die den Ruf haben, vermeintlich sichere Wohn-und Ausgehgegenden zu sein.
Unbehelligt von der Polizei und so genannten Sicherheitsbehörden konnten sie ihr klandestines Vorgehen über Jahre perfektionieren. Eine militante Zelle knüpfte unter dem Label „Freie Kräfte Berlin Neukölln“ an die Aktivitäten des ehemaligen „Nationalen Widerstandes Berlin“ an und veröffentlichte im Sommer 2016 eine Liste mit linken Lokalitäten, samt kaum verhohlenem Aufruf, gegen diese vorzugehen. Zum Jahrestag der antisemitischen Novemberpogrome am 9. November wurde dann eine Auflistung mit jüdischen Einrichtungen in Berlin veröffentlicht. Vergangenes Jahr wurden in einer koordinierten Aktion zahlreiche zur Erinnerung verlegte Stolpersteine gestohlen oder beschädigt.

Eine Polizei, die auf ganzer Linie versagt. Der Mord an Burak weiterhin nicht aufgeklärt. Nazis, die unbehelligt Brandanschläge verüben. Eine Neuköllner CDU, die sich nicht zu schade ist, in der BVV mit der AfD gemeinsame Sache gegen zivilgesellschaftliche Anti-Naziarbeit zu machen. In diesem Klima ist es wichtiger denn je, die vorhandenen Strukturen zu stärken und auszubauen. Organisiert euch, werdet aktiv und lasst Nazis und Rassist_innen nicht aus den Augen.


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