Redebeitrag zum Antisemitismus der „Alternative für Deutschland“, gehalten auf der antifaschistischen Kundgebung am 23. Juni 2017 in Berlin-Charlottenburg gegen den Al Quds-Tag.
Liebe Antifaschist_innen,
wir freuen uns, dass ihr den Weg zur Kundgebung des antifaschistischen Berliner Bündnisses gegen den Al Quds-Tag gefunden habt. Wir protestieren heute mit euch gemeinsam gegen die Anhänger_innen des iranischen Regimes, die ihre antisemitischen Vernichtungsdrohungen gegen Israel auf die Straße tragen wollen. Israel ist der Staat der Überlebenden der Shoah und ihrer Nachkommen, entstanden als Schutzraum gegen Antisemitismus. Wer den einzigen jüdischen Staat delegitimieren will, kommt nicht umhin, die Shoah zu relativieren und zumindest implizit in Frage zu stellen. Vor einem ganz ähnlichen Problem wie die Verantwortlichen des Berliner Quds-Marsches – wenn auch unter anderen Vorzeichen – steht eine Partei, die inzwischen in fast allen Landesparlamenten und ab September wohl auch im Bundestag sitzen wird – die AfD. Wer ein Deutschland will, das angeblich erst wieder souverän werden muss, kann nicht anders als sich der Erinnerung an die Massenvernichtung der europäischen Jüdinnen_Juden zu entledigen.
Björn Höcke hat in seiner viel zitierten, so genannten Dresdener Rede, diesen Common Sense innerhalb der AfD besonders pointiert auf den Punkt gebracht. Als er zur Überwindung des Gedenkens an die Shoah aufruft, welches er als lähmend für die Deutschen empfindet ist das weder ein Ausrutscher noch eine besonders radikale Position in der Partei. Diese inhaltliche Linie findet sich bereits im Grundsatzprogramm. Eine angebliche Verengung der Erinnerungskultur auf die Zeit des Nationalsozialismus, steht dort, müsse aufgebrochen werden. Eine Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte soll verordnet werden, für die nur noch das zählt, was sich zur Begründung einer „positiven“ nationalen Identität eigne.
Der Antisemitismus der AfD ist nicht auf die Einebnung der deutschen Vergangenheit beschränkt. Das zeigt sich auch in ihrem Bundestagswahlprogramm. Die Parteitagsdelegierten verabschiedeten im April in Köln einen Antrag, wonach rituelles Schlachten von Tieren unter Strafe gestellt und gleichzeitig die Einfuhr von geschächtetem Fleisch verboten werden soll. Eine Umsetzung des Programms würde Jüdinnen_Juden die Möglichkeit nehmen in Deutschland ihre Religion auszuüben. Nur die Warnung von Beatrix von Storch: „Dann bekommen wir eine bestimmte Religionsgemeinschaft an den Hals!“ konnte verhindern, dass auch noch die Forderung nach einem Beschneidungsverbot beschlossen wurde. Hierbei ist die jüdische Community gemeint, die in den Augen der AfD, wohl ganz in der Tradition der antisemitischen Verschwörungstheorie, Macht auf die Regierung und das aktuelle politische Geschehen ausübe.
Wie die Position vieler in der AfD zu Israel aussehen dürfte, sprach Marc Jongen aus Baden-Württemberg offen aus. Er möchte nicht schweigen müssen und die Verteidigung des Staats Israel weiterhin als „Torheit“ und „heuchlerischen politischen Instrumentalisierungen des Holocaust“ kritisieren dürfen, sagte der selbsternannte Parteiphilosoph im Gespräch mit einem bekannten Blog der „Neuen Rechten“. Das rekurriert unter anderem auf den von Finkelstein vorgebrachten Vorwurf der sogenannte “Holocaustindustrie”, in dem vor allem Überlebenden der Shoah vorgeworfen wird, sie würden Profit aus dieser schlagen wollen. Ein Vorwurf der insofern problematisch ist, als er diejenigen angreift, die ihre Geschichte erzählen wollen. Durch ihn wird versucht, die Überlebenden und die Generationen nach ihnen zum Schweigen zu bringen. Inwiefern es antisemitisch ist, dass Marc Jongen die notwendige Verteidigung des Staates Israel als “Torheit” bezeichnet, bedarf wohl keiner weiteren Erklärung.
Über das Verhältnis von Marc Jongen zu Sigmar Gabriel ist nichts überliefert. Dass der Bundesaußenminister kürzlich einen der Mitorganisatoren des Berliner Quds-Marsches im Auswärtigen Amt empfing, ist aber Beleg genug, dass das Problem weit über die AfD hinausreicht. Für die, die Deutschland endlich wieder groß sehen wollen, sind und bleiben Antisemitismus und Erinnerungsabwehr unabhängig von politischen Farben stets abrufbare Ressentiments.
Gemeinsam gehen wir heute mit euch auf die Straße, um Björn Höckes Alptraum, den er ebenfalls in seiner Dresdener Rede formulierte, zumindest einen kleinen Schritt näher zu kommen: Einem lauwarmer Wasserstrahl unter dem sich die herrschenden Zustände auflösen.
Deutschland, du mieses Stück Schmierseife! Gegen Antisemitismus und Rechtspopulismus!