REDEBEITRAG auf der Demo gegen rassistische Zustände in Heidenau, Nauen, Marzahn und überall

Redebeitrag zur deutschen Gefüchtetenpolitik und rassistischen Mobilisierungen, gehalten auf der antifaschistischen Demonstration „Es reicht! Ya Basta! Gegen die rassistischen Zustände in Heidenau, Nauen, Marzahn und überall“ am 27.08.2015 in Berlin-Wedding.

Immer wieder Deutschland.
Gestern vor 23 Jahren endeten die rassistischen Pogrome in Rostock-Lichtenhagen. Tagelang griffen Hunderte Neonazis vor bis zu 2000 Schaulustigen die Zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber (ZAst) an. Vor 22 Jahren, am 29. Mai 1993 wurden Gürsün İnce, Hatice, Saime und Hülya Genç und Gülüstan Öztürk bei einem Brandanschlag von deutschen Neonazis ermordet. 6 Monate später, am 23.November 1992 starben in Mölln, ebenfalls bei einem Brandanschlag auf ihre Wohnhäuser, die zehn- und vierzehnjährigen Mädchen Yeliz Arslan und Ayşe Yılmaz sowie ihre Großmutter Bahide Arslan.

Und Deutschland so?
Der Staat reagierte zügig mit der faktischen Abschaffung des Grundrechts auf Asyl im Mai 1993. Zum 01.August 2015 trat das Gesetz zur „Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung“ in Kraft, das unter anderem verschärfte Abschiebehaftgründe sowie Einreise- und Aufenthaltssperren für Geflüchtete bis zu 5 Jahren vorsieht. Es ist dasselbe Deutschland, das als Vorreiter der Verschärfung des Asylrechts innerhalb der EU fungiert und nicht erst seit der Wirtschaftskrise seine ökonomische und politische Vormachtstellung in Europa zu sichern versucht. Dieses Deutschland sperrt die Menschen, die die Flucht überlebt haben, die nicht
im Mittelmeer ertrunken oder auf dem Weg nach Europa umgekommen sind, hinter Gitter. Die, die es bis nach Deutschland geschafft haben, werden in Containern, Zelten oder in Hostels untergebracht, aus denen sie gleich in die Obdachlosigkeit entlassen werden. Hier in Berlin, zeigt sich Deutschland u.a. am Landesamt für Gesundheit und Soziales (LaGeSo) als eines, das Geflüchtete – traumatisiert, kriegsverwundet, hungrig und erschöpft – über 2 Wochen im Innenhof ausharren lässt. Nicht einmal die nötigste humanitäre Hilfe ist dieser Staat bereit zu leisten. Nach 2 Wochen ehrenamtlicher Arbeit der Helfer*innen von Moabit Hilft (und vielen so gesparten Tausenden Euro) übernimmt die Caritas mehr schlecht als recht die Koordination der Ersthilfe.


Und der Rest?
Die deutschen Medien und die etablierten Politiker_innen verabscheuen „das Pack“gezwungernermaßen und reden gebetsmühlenartig davon, die vermeintlichen „Ängste der Bürger_innen“ ernst nehmen zu wollen. Dass Regierung, Länder und Kommunen aber für die Art der Unterbringung, für die rassistische Ausgrenzung und Diskriminierung, Kriminalisierung und Retraumatisierung der Geflüchteten verantwortlich sind, fällt unter den gut gedeckten Tisch. Die „Sorgen der Bürger_innen“, 1992 noch vor Überfremdung, heute ergänzt vor dem Islam, werden ernst genommen. Die der Geflüchteten, die begründete tägliche Angst vor Übergriffen durch Rassist_innen und Nazis, Schikane durch die sog. Ausländerbehörde oder vor Abschiebung in Staaten, in denen ihnen Verfolgung, Gewalt und Tod droht, werden ignoriert. Stattdessen beziehen täglich Geflüchtete die Unterkunft in Heidenau, einem Kaff, das deutlich gezeigt hat, wozu die Menschen vor Ort in der Lage sind.


Und jetzt?
Als Antirassist_innen und Antifaschist_innen kann sich nicht positiv auf den deutschen Staat bezogen werden. So deutlich, wie in den letzten Wochen und Monaten, zeigt sich die Verbindung von staatlich institutionalisiertem und gesellschaftlich verankerten und breit akzeptiertem Rassismus. Es gilt daher die Geflüchteten in ihrem alltäglichem Kampf zu unterstützen, im LaGeSo, in Marzahn oder Heidenau. Antirassistische Solidarität und antifaschistische Unterstützung ist so nötig wie nie! Es reicht. Ya basta! Sorgen wir dafür, dass Geflüchtete hier gut und sicher leben können!

Deutschland, du bist und bleibst ein mieses Stück Scheiße.