Ein NPD-Häufchen Elend mit Bulli in Neukölln

+++ 12 Nazis halten in ihrem Gitterkäfig gerade Mal 40 Minuten aus +++ NPD-Kundgebung am Rathaus Neukölln von 300 Menschen übertönt +++ Nazis ernten statt erhofften Applaus massig Gemüse und Eier +++ Hektische Flucht nach Kundgebungsende +++ Peinlicher NPD-Auftritt auch Samstag in Britz +++

***Fotos von den 12 TeilnehmerInnen gibt es bei der Antifa Berlin ***

Nordneukölln bleibt für Neonazis ein unruhiges Pflaster. Trotz weniger als 24 Stunden Mobilisierungszeit kamen mehr als 300 Menschen am vergangenen Mittwoch zum Rathaus Neukölln um gegen eine vom wiedergewählten Landesvorsitzenden Sebastian Schmidtke angemeldete Kundgebung unter dem Motto „Schluss mit der Verhöhnung deutscher Opfer“ zu protestieren. Anlass war die im Rathaus stattfindende Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung. Mitglied in dem Gremium ist auch die Politikerin der Piratenpartei Anne Helm, die wegen der Beteiligung an einer Protestaktion in Dresden ins Visier der Boulevardpresse geraten war.

 

Zunächst über Twitter verbreitete sich nach dem diesjährigen 13.Februar ein Foto, dass zwei Aktivistinnen in Dresden bei einer Protestaktion im Stile der (aus feministischer Perspektive) zu Recht umstrittenen „Femen“-Gruppe zeigte. Sie bedankten sich beim Oberkommandierenden der britischen Bomberflotte für die Luftangriffe auf Dresden während des Zweiten Weltkrieges. „Femen“ distanzierte sich bezeichnenderweise wenig später in einem eilig veröffentlichten Statement von der Aktion.

 

Nun trat der „Berliner Kurier“ auf den Plan und berichtete, bei einer der Frauen handele es sich um Anne Helm, ein Mitglied der Neuköllner Bezirksverordnetenversammlung von den „Piraten.“ Die Boulevardzeitung befeuerte im Stundentakt mit immer schriller werdenden Artikeln eine mediale Hetzkampagne in Anti-Antifa Manier gegen Helm. Neonazis, verschiedene rechte Parteien und Medien ergriffen die Gelegenheit dankbar beim Schopf und sprangen auf den Zug der Empörten auf. Schnell zeigte sich auch, dass eine eindeutige antifaschistische Positionierung gegen deutsche Opfermythen in Helms Piratenpartei kaum Rückhalt findet.

 

Die schweigende und kommentarschreibende Mehrheit ließ im entfesselten Shitstorm ihren Gewaltphantasien gegen die vermeintliche Nestbeschmutzerin freien Lauf. Foto und Kontaktdaten der Politikerin wurden auf neonazistischen Internetseiten veröffentlicht. Morddrohungen wurden geschickt. Bezirkspolitiker_innen reihten sich mit der Forderung ein, Helm solle ihr BVV-Mandat zurückgeben. Für mittwöchliche Sitzung des Gremiums lag ein gemeinsamer Entschließungsantrag von CDU und SPD vor, in dem im Brustton totalitarismusideologischer Verblendung Neonazi-Aufmärsche und antifaschistische Proteste unter dem Extremismus-Label als „Verhöhnung der Opfer“ subsummiert werden. Die Aktion „von einem Mitglied dieses Hauses“ soll verurteilt werden. Anne Helm entschuldigte sich in der Sitzung und auf ihrem Blog und der Text wurde schließlich abgemildert mit großer Mehrheit verabschiedet.

 

Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass die NPD versucht sich diese Gemengelage zu Nutze zu machen. Gegen 16.30 Uhr trafen die Nazis an ihrem Kundgebungsort ein. Während eine kleinere Gruppe um Jan Sturm die letzten Meter vom U-Bahnhof in Begleitung von Zivilpolizisten zu Fuß zurücklegte, fuhr der Rest des kleinen NPD-Tross wie gewohnt im VW-Bus vor.

Nachdem Schmidtke unbeholfen versucht hatte die anwesenden Antifaschist_innen als „Nazis von heute“ zu demaskieren und seine Freude darüber zum Ausdruck gebracht hatte, das inzwischen „ja jeder Dritte Deutsche“ Rassist sei, wurde es schnell ungemütlich. Die Antifaschist_innen hielt es nicht mehr auf dem zuvor von ihnen kurzer Hand besetzen Rathausvorplatz, sie strömten auf die Karl-Marx Straße und schlossen die NPD-Kundgebung aus allen drei Richtungen ein. Die Polizei konnte nur mit Faustschlägen, Pfefferspray und Hunden (ohne Maulkorb) eine vorzeitige Beendigung der Nazi-Kundgebung verhindern.

 

Während sich Schmidtke vergeblich darum bemühte seinem Redebeitrag Gehör zu verschaffen, setzte ein wiederkehrender Regen hauptsächlich von Tomaten und Eiern, vereinzelt auch Böllern ein. Die NPD spannte die schon vorsorglich mitgebrachten Regenschirme vor dem Rednerpult auf. Die übrigen Teilnehmer wie Dietmar Tönhardt aus Lichtenberg und die Besitzer im NPD-Landesvorstand Oliver Niedrich und Danny Matschke, verschanzten sich abwechselnd hinter den beiden mitgebrachten Transparenten oder waren damit beschäftig die Spuren von ihrer Kleidung zu wischen. Dieser Zustand dauerte auch an als Maria Fank ans Mikrophon trat. Die Wortfetzen, die trotz antifaschistischer Geräuschkulisse zu verstehen waren, ergaben einen kruden, teils wirren Rundumschlag gegen Alles was Fanks Organisation „Ring Nationaler Frauen (RNF)“ nicht passt, vom Versuch diskriminierungsarmer Sprache bis zu Gendermainstreaming. Die grundliegenden Fakten schienen Fank indes entweder nicht zu interessieren oder ihr nicht bekannt zu sein, so ordnete sie Anne Helm der falschen Partei, den Grünen zu.

 

Nachdem der Kreisvorsitzende Sebastian Thom noch einige Fotos für die Facebookseite geschossen hatte, quetschte sich die Kundgebung buchstäblich in den VW-Bus und fuhr nachdem die Polizei den weg freigeprügelt hatte mit hoher Geschwindigkeit in Richtung Süden davon. Der aus Königs Wusterhausen stammende Benjamin Weise hatte es dabei am Steuer so eilig, dass er beinahe einen die Flucht absichernden Polizisten überfuhr.

 

Nachdem schon alles vorbei war, machten Festnahmetrupps auf der Karl-Marx Straße und in den umliegenden Straßen teilweise über die Länge von mehreren Häuserblocks Jagd auf einzelne Antifaschist_innen. Es kam zu mindestens sechs brutalen Festnahmen. Als Umstehende ihren Unmut äußerten, wusste sich die Polizei wiederum nur mit Pfefferspray zu helfen.

 

Nicht weniger peinlich war der Auftritt der NPD am Samstag in Britz. Als Auftakt für ihre Kundgebungstour hatten sie sich den Standtort der in Kürze eröffnenden Geflüchtetenunterkunft in der Britzer Späthstraße ausgesucht. Die Polizei baute den Gitterkäfig diesmal neben einer Tankstelle auf der der Unterkunft gegenüberliegenden Straßenseite auf. Gegenüber versammelten sich mehrere hundert spontan mobilisierte Menschen zur Gegenkundgebung. Die NPD ließ auf sich warten. Die Kolonne aus LKW und zwei Begleitfahrzeugen war auf der Hinfahrt in Köpenick in einen Autounfall verwickelt. Als die NPD mit einer dreiviertel Stunde Verspätung eintraf, war schon nach knapp 20 Minuten schon wieder alles vorbei. Nachzügler Jan Sturm konnte nur noch hinterher hecheln. Der einzige Redebeitrag von Sebastian Schmidtke dürfte an der stark befahrenen Straße und angesichts durchgehender antirassistischer Sprechchöre außer den 15 mitgereisten AnhängerInnen kaum jemanden erreicht haben. Die selbstverständliche Anwesenheit von Vertretern von „Die Rechte“ brachte erneut deutlich zu Tage, dass es sich mitnichten um eine Wahlpartei in Konkurrenz zur NPD, sondern lediglich um ein vermeintlich verbotssicheres Auffangbecken für Mitglieder aufgelöster Kameradschaften handelt. Das „NPD-Flagschiff“ machte sich im Anschluss über die Autobahn auf dem Weg nach Norden zur nächsten Station in Kreuzberg, wo es bereits von Gegendemonstrant_innen empfangen wurde.

 

Insgesamt gute Vorzeichen für die kommenden Wochen.

 

Fotos: Mikael Zellmann, Neukoellnbild, Petshoppetshop

Samstag

PM Cheung

Boeseraltermann

 

Presse: Störungsmelder, Berliner Zeitung, Tagesspiegel, Neues Deutschland 

Samstag: Berliner Zeitung