Redebeitrag zu rechten Strukturen und Angriffen in Neukölln gehalten auf der Demonstration anlässlich des 1. Jahrestages des Mordes an Burak am 06.04.2013.
Niemand weiß wer in der Nacht vom 4. zum 5.April letzten Jahres Burak ermordet hat. Fühlte sich der Täter vom Lachen der Gruppe junger Männer, mit denen Burak unterwegs war, gestört oder war er ein Rassist, ein Neonazi? Die Polizei schließt einen persönlichen Hintergrund aus und ermittelt nun seit einem Jahr „in alle Richtungen“ wie es heißt – bisher ohne jedes Ergebnis.
Fest steht, dass der Neonazi-Funktionär Gerhard Kaindl zwanzig Jahre zuvor, am 4.April 1992, bei einer Auseinandersetzung mit migrantischen Antifas in einem Restaurant in Neukölln getötet wurde. Er wurde in der Folge von Neonazis zum Märtyrer stilisiert, in ihren Veröffentlichungen und Internetforen erinnern sie bis heute an seinen Todestag und rufen zur Rache auf.
Fest steht auch, dass Neonazis in der Nähe von dem Ort an dem Burak ermordet wurde, wohnen und aktiv sind. Nur einige hundert Meter vom Tatort entfernt, liegt die Britzer Hufeisensiedlung. Hier verteilte die NPD im August 2011 ihre Propaganda zu den anstehendenden Wahlen zum Abgeordnetenhaus. Als eine Familie die Werbung der Neonazi-Partei ablehnte, wurde sie bedroht. In der Zeit danach wurden nachts mehrfach Fenster am Haus der Familie eingeworfen, die Hauswand mit Farbe beschmiert und der Briefkasten gesprengt. In der Gegend um die Parchimer Allee tauchen immer wieder Aufkleber, Plakate und Sprühereien auf, mit denen die Neonazis ihre rassistischen Forderungen etwa nach der Abschiebung aller Migrant_innen verkünden oder ihre Verehrung für verurteilte Nazi-Verbrecher wie Hitlers Stellvertreter Rudolf Hess bekunden. Vor sechs Wochen versammelten sie sich mit Fackeln und Fahnen auf dem Alten Britzer Friedhof zu einer Feier für ein Mitglied der Nazi-Schlägertruppe SA. Die Nazi-Ikone war nach einer Auseinandersetzung mit politischen Gegner_innen an seinen Verletzungen gestorben, weil seine SA-Kameraden die Versorgung durch einen jüdischen Arzt verweigert hatten. Mit Gewalt gehen Neonazis auch heute noch gegen Menschen vor, die sie als politische Gegner_innen ansehen. Im August 2012 wurde ein Jugendlicher, als er Neonazi-Aufkleber entfernte, von Vermummten bedroht, geschlagen und verletzt. Er war auf dem Heimweg vom Anton-Schmaus Haus. Das Anton- Schmaus Haus ist eine Einrichtung für Jugendliche und Kindern, die zu einem sozialdemokratischen Jugendverband gehört. Neonazis haben schon zwei Mal versucht das Anton-Schmaus Haus anzuzünden. Das Haus liegt nur 15 Minuten zu Fuß von dem Ort entfernt, an dem
Burak erschossen wurde.
Aktuell hetzt die NPD gerade gegen die geplante Errichtung eine Unterkunft für Flüchtlinge in Britz. Sie verteilt rassistische Flugblätter, in denen sie fordert, dass die „gutbürgerlichen Wohnsiedlungen“, „deutsch“ – also frei von Migrant_innen – bleiben müssten. Auf einer Kundgebung zum Thema zeigten Neonazis ein Transparent gegen den angeblichen „kriminellen Multi-Kulti Wahn“ und verbanden dies mit der Drohung „Kein Vergeben, Kein Vergessen“. Anlässlich eines Beitrages zu Burak in der ZDF-Sendung „Aktenzeichen YX“ feierte eine Frau aus der Neuköllner Neonaziszene, die bis vor kurzen in unmittelbarer Nähe wohnte, in einem sozialen Netzwerk den kaltblütigen Mord und verhöhnten das Opfer.
Alle diese aufgezählten Punkte sind kein Beweis dafür, dass der Mord an Burak eine rassistische Tat war. Sie geben aber ein Einblick in das politische Klima in der Gegend, in der der Mord stattfand. Sie sind Grund genug, eine Frage so lange zu stellen, bis sie endlich beantwortet ist: War Rassismus wieder das Motiv?