Nachdem die bisherige Anmeldung für den diesjährigen Quds-Marsch am 8. Mai in Berlin gestern zurückgezogen wurde, hat die genannte Parole wohl auch in diesem Jahr ihre reale Umsetzung gefunden. [1] Bereits in der vergangenen Woche wurden die diesjährigen antisemitischen Veranstaltungen im Iran aufgrund der Corona-Pandemie abgesagt. [2]
Ein nun in Berlin nicht stattfindender Aufmarsch ist dabei zunächst einmal zu begrüßen, aber birgt ähnlich wie die immer wieder geführte Debatte über Verbote auch einige Gefahren bezüglich eines antifaschistischen Engagements gegen Antisemitismus.
Gründe, um im Ergebnis ein Verbot und die momentane Absage gutzuheißen, liegen auf der Hand: weniger offener Antisemitismus auf den Straßen Berlins – zumindest an diesem Tag. Während der Quds-Demonstration müssen sich Jüdinnen_Juden und auch israelsolidarische Linke vor Angriffen schützen. Findet der Marsch nicht statt, würden zumindest die antisemitischen Angriffe, die regelmäßig seinem Kontext geschehen, ausbleiben. Das sind gute Aussichten, die die Berliner Straßen für die Betroffenen antisemitischer Gewalt zumindest temporärer sicherer machen. Gerade aus der Perspektive Betroffener ist ein Verbot mehr als ein symbolischer Akt, denn es geht im Zweifel um ihre körperliche Unversehrtheit und die Möglichkeit, sich ohne Angst auf den Straßen bewegen zu können.
In einem Beitrag zu der in diesem Jahr erschienenen Broschüre des Antifaschistisches Berliner Bündnis gegen den Al Quds-Tag haben wir uns noch weiter mit den Verbotsdebatten zum Al Quds-Tag in Berlin auseinandergesetzt und mit der Frage, warum Appelle an den deutschen Staat den Kampf gegen Antisemitismus nicht voranbringen.
Darin versuchen wir zu verdeutlichen, dass das Verbot des Quds-Marsches die antisemitische und sonstige Gefahr, die vom iranischen Staat ausgeht, nicht beenden wird. Zudem würde durch ein Verbot die Debatte und damit die kritische Auseinandersetzung nicht nur mit dem Quds-Marsch und seinen Akteur_innen aus der Öffentlichkeit gedrängt. Ein mögliches Verbot des Quds-Marsches wird als Leistung der wehrhaften Demokratie verkauft, deren Mythos damit fortgetragen wird. Doch abermals macht sich hier deutlich, dass die bürgerliche Gesellschaft nicht das Bollwerk gegen Antisemitismus ist, sondern dessen Voraussetzung. Mit einem Verbot des Quds-Marsches zeigt sich die Stadt Berlin als Akteurin gegen Antisemitismus. Doch gleicht diese Verbotsdebatte einem Placebo, der die tatsächlichen Ressourcen im Kampf gegen den allseits verbreiteten Antisemitismus geringhält. In der näheren Betrachtung wird jedoch deutlich, wie oberflächlich dieser Akt ist. Antisemitismus als eine Welterklärungsstrategie ist omnipräsent in Deutschland.
Den Beitrag und die vollständige Broschüre mit Beiträgen von u.a. Mina Ahadi, Koschka Linkerhand, Merle Stöver, Amed Sherwan, Drift – feminist alliance for communism, EAG Berlin und TKA – Theorie, Kritik & Aktion findet ihr bereits online unter: https://keinalqudstag.noblogs.org/…/04/27/broschuere-2021/
Sie versammelt insgesamt 14 Beiträge rund um den Al Quds-Tag und den Kampf gegen Antisemitismus, Islamismus und Patriarchat.
Gemeinsam gegen jeden Antisemitismus!