Geburtshaus von Heinrich Stahl [Alt-Rudow 41]

Heinrich Stahl wurde als Sohn des Landwirtes Israel Stahl am 13.April 1868 in dem Haus Alt-Rudow 41 im südlichen Neukölln geboren. Er schlug eine kaufmännische Laufbahn ein und war langjähriger Direktor der Viktoria-Versicherung. Nach der Machtübertragung an die Nazis wurde Stahl am 23. Juni 1933 zum Vorsitzenden des Gemeindevorstandes gewählt, er wurde dadurch der oberste Repräsentant der jüdischen Bürger_innen von Berlin. Dies blieb er abweichend vom Gedenktafeltext, sie enthält bereits zum Geburtsdatum Fehler, die bis heute nicht korrigiert wurden – bis 1940. Er gründete im ersten Jahr seiner Amtszeit die „Jüdische Winterhilfe“. Nach Gründung der Reichsvertretung der Juden in Deutschland gehörte er ab September 1933 dem ersten Präsidialauschuss an. Nach der Zwangsumwandlung dieser Organisation durch die Nazis in die „Reichsvereinigung der Juden in Deutschland“ war er dort ab Juli 1939 Stellvertreter des Vorsitzenden Leo Baeck. Am 11. Juni 1942 wurde er in das Ghetto Theresienstadt deportiert, wo er ab Anfang Oktober 1942 noch den stellvertretenden Vorsitz im Ältestenrat unter dem Judenältesten Jakob Edelstein bekleidete. Bald darauf, am 4. November 1942, starb Stahl im Ghetto Theresienstadt.

Die erste Enthüllung der Gedenktafel erfolgte 1993 am Nachbarhaus Nr. 43, denn die Besitzer_innen des eigentlichen Hauses verweigerten die Anbringung der Berliner Gedenktafel, weil sie „Anlaß für antisemitische Anschläge auf das Haus und die dortige Bäckerei geben“ könnte. Da das Haus Nr. 43 jedoch im Herbst 1993 abgerissen und durch einen Neubau ersetzt wurde, erhielt die weiterhin unkorrigierte Tafel 1998 ihren heutigen Platz.
Seitdem war die Tafel, im als lange Zeit im Hotspot rechtsradikaler Aktivitäten stehenden und als Tummelplatz von Neonazistrukturen bekannten Berlin-Rudow, mehrfach Ziel antisemitischer Angriffe. So wurde die Gedenktafel bereits mit Farbe beschmiert und zwei Hakenkreuze und eine Rune der verbotenen rechtsextremen Wiking-Jugend an die Wand des Hauses gesprüht.

In diesen Tagen jährt sich die Befreiung des Bezirks Neukölln durch die Rote Armee zum 75. mal. Dies nehmen wir zum Anlass, um euch hier und in der dazugehörigen Karte (http://befreiungneukoelln.blogsport.de/…/karte-orte…/) rund um den 28. April täglich einen historischen Ort in Neukölln vorzustellen. Es sind Orte von jüdischem Leben, Verfolgung und Widerstand.Dabei vergessen wir nicht, dass Antisemitismus, Rassismus und Neonazismus Teil des bundesdeutschen Alltags sind.Unser Dank heißt auch weiterhin Krieg den deutschen Zuständen!