»Es ist geschehen, und folglich kann es wieder geschehen.« – Primo Levi
9. November 2020 | 18.30 Uhr | Gedenken an die Reichspogromnacht am 09. Nov. 1938 | Mahnmal Levetzowstraße (Berlin-Moabit)
Am 9. November 1938 fanden die Novemberpogrome ihren Höhepunkt. Im deutschen Herrschaftsbereich wurden Jüdinnen*Juden vergewaltigt, inhaftiert, verschleppt und ermordet. Jüdische Geschäfte, Wohnungen, Gemeindehäuser und Synagogen wurden geplündert, zerstört und in Brand gesetzt. Auf den Straßen entfesselte sich der deutsche antisemitische Terror, der in der Nacht staatlich angestoßen und orchestriert wurde. SA und SS führten unterstützt durch Polizei und Feuerwehr die Morde, Brandstiftungen und Verwüstungen an. Die nicht-jüdische Bevölkerung beteiligte sich an dem Pogrom oder stimmte mit ihrem Schweigen zu. Insgesamt wurden in den Tagen um den 9. November 1.300 Jüdinnen*Juden ermordet, über die Hälfte der Gebetshäuser und Synagogen in Deutschland, Österreich und dem annektierten Sudetenland wurden zerstört. Ab dem 10. November erfolgte die Deportation von 30.000 Jüdinnen*Juden in Konzentrationslager. Die Pogrome waren Wegbereiter für die Shoah.
Gedenken braucht den Angriff auf die herrschenden VerhältnisseFast täglich werden in Deutschland antisemitische Übergriffe gemeldet. Die Spitze des Eisbergs stellen hierbei der rechtsextreme Terroranschlag auf die Synagoge in Halle (Saale) am Jom Kippur 2019 mit zwei Toten, der Brandanschlag auf die Kneipe “Morgen wird besser” in Berlin-Lichtenberg im August 2020 und der Angriff mit einem Spaten auf einen Besucher einer Synagoge in Hamburg zum Laubhüttenfest im Oktober diesen Jahres dar. Hinzu kommen etliche alltägliche antisemitische Äußerungen und Anfeindungen, die häufig unbeachtet bleiben.
Demgegenüber lautet die deutsche Selbsterzählung Antisemitismus existiere nur in historischer Form oder als importiertes Phänomen. Eine tatsächliche Aufarbeitung der Verbrechen und die daraus resultierende Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse, die den Nationalsozialismus hervorgebracht haben, hat es nie gegeben. Die ermordeten Jüdinnen*Juden dienen den Deutschen lediglich als Fundament einer neuen nationalen Selbstvergewisserung und dem Gewinn der Erinnerungsweltmeisterschaft.
Die Coronapandemie hat den antisemitischen und verschwörungsideologischen Bodensatz der deutschen Gesellschaft hochgespült – was vorher im kleinen Kreis gedacht wurde, wird inzwischen aggressiv auf die Straße getragen.
Dagegen stellen wir ein antifaschistisches Gedenken, das Erinnerung und gegenwärtige Gefahr autoritärer Strukturen zusammendenkt. Unser Gedenken heißt:
– Solidarität mit allen von Antisemitismus Betroffenen
– Solidarität mit Israel
– Keine Versöhnung mit Deutschland
– Gegen jeden Antisemitismus
Gedenken in Zeiten der Pandemie
Wir wollen in unserem gemeinsamen antifaschistischen Gedenken, Handeln und Eingreifen nicht müde werden und auch dieses Jahr auf die Straße gehen! Daher werden wir dieses Jahr ausschließlich eine Kundgebung veranstalten auf der es ein Hygiene- und Abstandskonzept gibt. Wir haben gebeten uns ein weitläufigeres Areal für die Kundgebung zu gestatten. Zudem gilt auf unserer Veranstaltung gilt Maskenpflicht! Fühlt euch herzlich eingeladen aber bitte keineswegs verpflichtet zu unserer Kundgebung zu kommen. Nutzt auch Möglichkeiten und Ideen zum dezentralen und individuellen Gedenken.
Als positive Nachricht können wir derzeit aber schonmal etwas über einige der Redner*innen berichten:
Als Zeitzeuge und vor allem Antifaschist wird Kurt Hillman, geboren 1933 im jüdischen Krankenhaus in Berlin, reden. Er überlebte den Naziterror, die Shoa mit viel Glück und solidarischer Hilfe.
Wir freuen uns auf Ellen Händler (*1948), als Vertreterin der Zweiten Generation. Sie entstammt einer jüdischen Familie, die während der Nazizeit mehr als 80 Angehörige verloren hat.
Wir möchten Abschied nehmen von unserer Freundin Andrée Thérèse Leusink (1938 (Paris) -2020 (Berlin)). Sie hat mehrfach als Zeitzeugin auf unserer Kundgebung geredet.
Naomi Henkel-Gümbel ist Überlebende des Halle-Anschlags und eine von 43 Nebenkläger*innen im Prozess gegen den Attentäter.Wir freuen uns auch, Vertreter*innen vom Ken Berlin der Hashomer Hatzair begrüßen zu können. Die sozialistisch-jüdische Jugendbewegung wurde 1938 von den Nazis verboten und gründete sich 2011 neu in Berlin.
Weitere Informationen und Hintergründe findet ihr auch in unserer Broschüre und unter http://9november.blogsport.eu/